Filmförderung in Österreich

1969

Im März 1969 fand im Rahmen der Viennale eine dreitägige Gesprächsreihe „Filmförderung in Europa“ statt, zu der das gerade in der BRD beschlossene Filmförderungsgesetz Anlass gab. Darüber schrieb F.H. Wendl, einer der wenigen engagierten Filmkritiker, in der kommunistischen „Volksstimme“ (20.3.1969): „Das dortige Gesetz ist ein reines Wirtschaftsgesetz und dient der Erhaltung des etablierten Publikumsgeschmacks, der Festigung der Verschleierungs- und Verblödungsindustrie.“ Es war zu befürchten, dass ähnliches in Österreich bevorstand, umso mehr, als sich herausstellte, dass Entwürfe dazu, die gerade offiziell geleugnet worden waren, von der Gewerkschaft ausgearbeitet vorlagen.

Bei der Abschlussveranstaltung im Filmmuseum, bei der Franz Antel in der ersten Reihe saß, unterbrach ich den Redner am Podium und verlas folgenden Text:

die drei diskussionen anläßlich der viennale sollten wohl – wenn sie nicht als unverbindliche plauderein dastehen sollen – eine art modell für eine mögliche filmförderung in österreich zeigen.

wenn ich sage filmförderung, dann hoffe ich, daß das auch gemeint ist und nicht eine wirtschaftsförderung, wie sie in deutschland betrieben wird [und dort] die übelsten früchte trägt. die viennale als deckmäntelchen für die wirtschaftsinteressen unserer profit- bzw. konkurs-produzenten wäre dafür zu schade. die wr. messe hätte sich dafür besser geeignet.

wenn man fördern will, muß man sich über die konkreten voraussetzungen im klaren sein. wen gilt es zu fördern? besieht man zuerst den spielfilmsektor – wen gibt es da? antwort: niemanden!  denn die bankrotteure der letzten 20 jahre würden zwar gerne aus ihren grüften wieder auferstehen, aber es ist wohl besser, man läßt sie dort. es gibt keinen österr. spielfilm mehr, in dieser hinsicht geht es uns also besser als den deutschen. bei uns ist der spielfilm endlich gestorben, in deutschland wird er mit geldinjektionen künstlich am leben erhalten.

es kommt jetzt sich die frage: gibt es keine jungen spielfilmtalente in österreich? da österreich sehr klein ist und die lage leicht überschaubar, lautet die antwort: es gibt einige, die sich im spielfilm versuchen, aber es sind keine talente. die paar, die da versuche unternommen haben, sind entweder zurecht ganz verschwunden oder sie sind beim fernsehen gelandet, wo sie drittklassige shows machen.
resumé spielfilm: eine filmförderung für die alten ist nicht zu empfehlen, für die zwei, drei jungfilmer lohnt sie sich im augenblick nicht.

wenn in den letzten zwei jahren doch vom österr. film die rede war, natürlich fast ausschließlich im ausland, dann waren unabhängige filmer gemeint, also solche, die unabhängig vom üblichen produzenten und verleih mit eigenen mitteln kurze filme herstellten. diese unabhängigen filmemacher gehören zu den führenden filmkräften in europa. der „spiegel“ nennt sie bereits „arriviert“. in österreich werden sie negiert.

wenn ich vorher von einem siechen oder wie in österreich bereits verstorbenen spielfilm sprach, so meine ich nicht allein, daß eine korrupte industrie über die eigenen beine gestolpert ist und am boden liegt, sondern damit meine ich auch, daß selbst der künstlerische, anspruchsvolle spielfilm [sich] in einer schweren krise [befindet]. (…) diese krise ist ein künstlerische und sie ist nicht zuletzt durch die internationale bewegung des unabhängigen [avantgarde-]films entstanden. godard etwa hat mitgeteilt, daß er dem spielfilm lebewohl sagen und nur mehr 16mm-filme machen wolle. das heißt, der film ist endlich – von einer belastenden industrie befreit – dorthin gelangt, wo andere künste bereits sind, nämlich zur möglichkeit der individuellen ausübung. heute kann jeder filme machen. und wenn es heute überhaupt eine filmförderung gibt, dann kann sie nur dort einsetzen.

ich stelle mir die basis eine filmförderung so vor: bereitstellung von geräten (kameras, schneidetische) und räumen für jeden, der filme macht. in weiterer folge bereitstellung von filmmaterial und bezahlung der kopieranstalt.

filmförderung darf nicht alleine die herstellung von filmen meinen. man muß auch die grundlagen dafür schaffen. wenn die österr. jungfilmer letztklassige filme liefern, dann liegt das daran, daß in österreich seit dem krieg das künstlerische niveau unter jeder kritik lag und überall das mittelmaß herrscht. es muß in österreich erst einmal eine schulung des künstlerischen bzw. filmischen „bewußtseins“ einsetzen. die österr. filmschule, die dafür gedacht ist, ist leider unfähig dazu.