Beitrag in Ö1, Synchron. Mai 1984
(leicht gekürzt)
Am Anfang des Films Donauwalzer von Peter Patzak läuft ein weiß gekleideter Matrose zu einem Bahnhof hin, scheinbar um einen Zug zu erreichen. Ein absurdes Detail, wenn man bedenkt, dass der Bahnhof in einer burgenländischen Kleinstadt steht, weit weg vom Meer. Ein Sinn ergibt sich erst, wenn man sich erinnert, den eiligen Matrosen schon einmal gesehen zu haben, er einen Verweis auf einen anderen Film darstellt. Der Film, an den Schwarzenberger mit seinem Donauwalzer anknüpfen möchte, ist Bertoluccis Die Strategie der Spinne aus dem Jahr 1979.
Über den Matrosen hinaus haben beide Filme gemeinsam das Thema, dass eine unabgeschlossene Vergangenheit in einer friedlichen Gegenwart virulent wird und ihren Tribut fordert. In dem italienischen Film kommt ein Mann in einer italienische Kleinstadt, wo sein Vater als Widerstandskämpfer und von den Faschisten ermordeter Held verehrt wird. Er lernt im Verlaufe des Films, dass die Wirklichkeit anders aussah und die im nachhinein vollzogene Trennung von Guten und Bösen, Faschisten und Antifaschisten ein große Lüge ist.
In Schwarzenbergers Films reicht die Vergangenheit in die fünfziger Jahre zurück, in die Zeit des Ungarnaufstandes. Ein Österreicher will seinem ungarischen Freund und dessen österreichischer Freundin zur Flucht aus Ungarn verhelfen, Der Ungar kommt aber nicht zum vereinbarten Treffpunkt, und die Frau und der Österreicher müssen ohne ihn flüchten. Der Zuschauer ahnt bald, dass der Ungar von seinem Freund verraten wurde, da dieser die Frau für sich wollte. Die beiden heiraten auch, aber bald darauf stirbt der Mann bei einem Autounfall, der ein Selbstmord des von seinem Gewissen getriebenen Verräters war. Der tot geglaubte Ungar taucht nach langen Jahren bei der Frau auf, die als Lehrerin in einem burgenländischen Ort arbeitet. Der Ungar fordert von ihr sein ihm vorenthaltenes Glück ein; als er erkennt, dass das eine Illusion ist, die ihm über die Jahre der Not hinweg half, jetzt aber nicht einzulösen ist, erschießt er sich.
Wie man sieht, ein dickes Melodram. Da Schwarzenberger mit dem laufenden Matrosen einen Vergleich mit Bertoluccis Film herausfordert, soll er hier auch folgen.
Die erzählerische Ebene von Die Strategie der Spinne hat einen stimmigen Über- und Unterbau, die beide der eigentlich banalen Handlung Bedeutung verleihen. Der Überbau ist die zeitgeschichtliche Verknüpfung einer scheinbar heilen Welt mit ihrer faschistischen Vergangenheit. Der Unterbau ist die tiefenpsychologische Ebene des Vater-Sohn-Konflikts, der ödipale Züge trägt: der Sohn überwindet den Vater.
Bei Donauwalzer fehlen diese zusätzlichen Ebenen, die Handlung bleibt plan auf sich gestellt. Der Zusammenhang mit dem Ungarnaufstand ist beliebig, er verleiht den Figuren keine zusätzliche Dimension. Der Ungar ist nur das Opfer widriger Umstände, als soziales Wesen ist er nicht erkennbar. Auf der psychologischen Ebene wird die vorhersehbare Entwicklung nur in der Beziehung der Frau zu dem wieder aufgetauchten Geliebten interessant. Rund um diesen Hauptstrang betreibt Schwarzenberger in kammerspielartigen Szenen psychologische Detailmalerei. Anders als in seinem ersten Film, Der stille Ozean, gelingt es ihm, seine Figuren lebendig werden zu lassen. Wie bei Bertolucci spürt man seine Sympathie für sie.
Bei Der stille Ozean hatte Schwarzenberger versucht, der literarischen Vorlage von Gerhard Roth durch eine bildliche Stilisierung zu begegnen. Beim Donauwalzer kehrt er zu jenem satt farbigen Bildnaturalismus zurück, den man von den späten Fassbinder-Filmen, bei denen er die Kamera führte, kennt. Die gediegene Qualität der Bilder scheint sich dem behäbig bürgerlichen Milieu, das sie zeigen, anzupassen, während sie bei Fassbinder bewusst verwendetes Stilmittel und damit Zitat ist. Schwarzenberger fehlt die Distanz, mit der Fassbinder und Bertolucci Genres wie das Melodrama und das Psychodrama einzusetzen wussten, und bleibt in der optischen Umsetzung ebenso undifferenziert wie in der Handlung. Das gilt auch für den Titel Donauwalzer, der Zierrat ist wie der weiße Matrose.
Im österreichischen Film macht sich ein seltsames Phänomen bemerkbar. Während Regisseure sich auf Vorbilder wie Bertolucci oder Godard berufen und selbst James Joyce als Vergleich bemühen, bleiben sie in ihren Filmen so bieder wie Willi Forst.