Der Ort der Zeit

Ort d ZeitHans_Scheugl-1985-Ort der Zeit 21985
16mm, 1 : 1.85, 40 Min., Farbe.
Buch und Regie: Hans Scheugl
Produktion: Cinecoop Film Wien
Kamera: Tamas Ujlaki
Schnitt: Herbert Baumgartner
Ton: Ekkehart Baumung
Ausstattung: Gerhard Jax
Musik: Hiro Kurosaki
Darsteller: Luigi Trenkler, Giacomo, Susanne Gross, Ferdinand Stahl, Linda Christanell, Tim Sharp, Anna Swoboda, Susanne Zanke, Janine Solich, Gerhard Swoboda.
UA: 18.10.1985, Österreichische Filmtage Wels.

Festivals 1986: Rotterdam, Berlin, Salso, Osnabrück.

Der Film besteht aus einer Folge von starren Einstellungen, es gibt keinen Schwenk, keine Fahrt. Die Einstellungen überlappen sich, so dass jedes Bild (außer dem ersten) Elemente des vorherigen in sich hat. Der Kamerastandpunkt verschiebt sich immer ein Stück nach rechts. Auf diese Weise entsteht eine topographische Erfassung der Örtlichkeit, ohne Rücksicht darauf, was sich dort abspielt. Da das Vorwärtsschreiten der Bilder einem eigenen Rhythmus unterworfen ist, kommen Geschehnisse und Handlungen ins Bild und verschwinden wieder daraus ohne Rücksicht auf die ihnen eigene Logik. Durch die Genauigkeit der Bildfolgen wird das Geschehen fragmentarisch. Aus der Bildverschiebung wird eine Bedeutungsverschiebung: Nicht nur strukturiert die Handlung nicht die Bilder, die Struktur schafft auch keine Handlung, hebt sie vielmehr auf und relativiert sie.
Das ist auch das Thema des Films: das Geheimnis der Dinge in dem großen raum-zeitlichen Bogen – das Nicht-Erkennen, das Nicht-Erfassen-können, das Nicht-Wissen.

Hans Scheugl 1985

Ausgehend von einer Metapher aus James Joyce’s Finnegan’s Wake – ein Toter erwacht zum Leben – bewegt sich Scheugls Film vom Leichenschauhaus ins Freie, an Wäldern und Hauswänden vorbei, an Menschen und Telefonzellen, unter Autobahnbrücken – auf einer verschlungenen Spur, aber ohne Sprünge. Ein Bild (eine starre Einstellung) ergibt das andere, in jedem Ausschnitt finden sich Elemente des vorhergehenden: Scheugl hat diese Vorgehensweise eine ‚Topographie der Zeit’ genannt. Den realzeitlichen Rahmen von 24 Stunden (Morgen, Tag, Abend, Nacht, Morgen) kondensiert der Film, verkürzt ihn auf 40 Minuten. Obwohl bekannt ist, dass Der Ort der Zeit an mehreren Tagen gedreht wurde, bleibt eine reizvolle Vorstellung haften: Ein Filmteam, 24 Stunden am Drehort (dem Albener Hafen bei Wien) unterwegs, stellt die Kamera auf, konserviert zehn starre Sekunden, bewegt die Apparatur ein Stück nach rechts, justiert, konserviert weitere zehn Sekunden … 1398 Minuten Arbeit, 40 Minuten ruhiges Glück.
Der Ort der Zeit ist auch ein verkehrtes road movie: gegen eine geordnete Welt, gegen klare Erkenntnis, gegen Finalität.

Alexander Horwath in: Falter 23/1985.

Interview: Reise ans Ende der Nacht

Verleih: sixpackfilm, Wien.