„Die Presse“, 25.2.2017, erweiterte Version und ursprünglicher Titel.
Wenn Lady Gaga bei der Super Bowl auftritt und die Oscar-Verleihung ansteht, überlegen die Medien schon lange vorher, ob die Stars zu Trump Stellung beziehen werden, und sei es nur in einem Nebensatz. Damit ist zu rechnen, denn von Hollywood und der Pop-Kultur werden in Zeiten gesellschaftlicher und politischer Veränderungen und Eruptionen wie jetzt Stellungnahmen erwartet.
Als Marlon Brando 1973 die Oscar-Verleihung dazu benutzte, um auf die Lage der indianischen Bevölkerung aufmerksam zu machen, kam das in einem von Geschäftsinteressen dominierten und darum in sich konservativen Kulturraum einem Tabubruch gleich. Allerdings war seinem Vorwurf, dass Hollywood selbst durch seine Geschichtsverfälschungen am vorherrschenden Bild der Indianer mitverantwortlich ist, nicht zu wiedersprechen. Als Vanessa Redgrave, 1978 zugleich Oscar-Gewinnerin und politische Aktivistin, für die Palästinenser eintrat, wurde ihr das noch vor Ort als „geschmacklos“ und „persönliche politischen Propaganda“ ausgelegt. Und erst recht traf es Michael Moore, als er 2003 den Oscar für Bowling for Columbine zu einem Angriff auf George W. Bushs Politik verwendete: das Auditorium buhte und ihm wurde der Ton abgedreht.
Dass seither die Bereitschaft gestiegen ist, bei diversen Preisverleihungen, die große mediale Aufmerksamkeit generieren, politisches Engagement zuzulassen, liegt nicht nur an der Politik und der breiten Öffentlichkeit, sondern auch an Hollywood selbst. Seit den 1990er Jahren erzählt eine kaum zu überblickende Anzahl von Filmen vom Autoritätsverlust sowohl des Mannes in der Familie als auch des ersten Mannes im Staat. Väter (The Ice Storm, 1997), Präsidenten (Wag the Dog, 1997) und politische Karrieristen (Bob Roberts,1992) wurden zu Versagern und Karikaturen ihrer selbst. Den Höhepunkt der Demontage von Macht und Ansehen erklomm seit 2013 Francis Underwood im House of Cards. Angesichts des Entertainers im Oval Office kann Hollywood heute nicht so tun, als wäre das richtige Leben nicht der Stoff seiner Filme. Nicht zufällig war es die Vereinigung der Drehbuchautoren, die sich als erste deutlich gegen Trumps Einreiseverbot für Muslime aussprach.
Der künstlerische Kern Hollywoods liegt links der politischen Mitte in einem Bereich, der als liberal gilt. Die politische Rechte hat damit ein erhebliches Problem, denn es gelang ihr selten den Einfluss auszuüben, den sie sich wünschte. Sie konnte zwar mit Hilfe religiöser Instanzen Druck darauf ausüben, was auf der Leinwand zu sehen oder eben nicht zu sehen war, und im Hintergrund bei der Finanzierung von Filmen Einfluss nehmen, war aber dem umgekehrten Druck einer kreativen Vielfalt auf Dauer nicht gewachsen, denn Verbote beflügelten nur deren Phantasie.
Die dunkelste Zeit Hollywoods lag in der Epoche des Kalten Krieges, als unter Senator Joseph McCarthy eine Kommunistenjagd auch in Hollywood ein Klima der Angst und Repression erzeugte und Karrieren nachhaltig zerstörte.
Auch wenn Hollywood nicht nur ein künstlerischer, sondern stets auch ein politischer Schmelztiegel war, schaffte es die Rechte auf Dauer nie, den liberalen Grundkonsens aufzuheben und ihr Weltbild als künstlerische Erzählung zu etablieren. Das ist, wie die Geschichte zeigt, nur in Diktaturen möglich.
Filme mit deutlich rechter Handschrift blieben die Ausnahme: so wie etwa John Waynes Vietnamfilm Green Berets (1967), der weltweit Proteste hervorrief, auch in Wien, oder das Rebellendrama Fight Club (1999), in dem ein charismatischer Leader Terrorzellen im Stil des IS gründet und Bankgebäude der „Eliten“ einstürzen lässt, und das alles schon vor 9/11, wodurch der Film einer politischen Beurteilung entging.
Künstler, deren Weltbild ein konservatives ist, wie etwa das des Western-Regisseurs John Ford oder des Trump-Wählers Clint Eastwood, sind in ihrer Sicht auf die Menschen, von denen sie erzählen, zu aufrichtig, um ideologisch vereinnahmt werden zu können, denn von dieser politischen Distanz hängt ihre Glaubwürdigkeit und die Qualität der Arbeit und nicht zuletzt der finanzielle Erfolg ab.
Anders als die Autoren des Kinos wurden Schauspieler dank ihrer Popularität von den Republikanern wie den Demokraten immer umworben, um bei Wahlen die Sache ihrer Kandidaten zu vertreten. Richard Nixon und Ronald Reagan verdankten dieser für sie breit orchestrierten Hilfe aus Hollywood einen Teil ihres Wahlerfolgs. Das Fehlen der Stars bei Donald Trump und die breite Front für Hillary Clinton hatten auf den Wahlausgang bemerkenswerter Weise keinen oder einen sogar negativen Einfluss, denn Trump und sein Chefideologe Stephen Bannon drehten den Spieß um und zählten bei ihrem lauthals verkündeten Kampf gegen die Eliten diejenigen, die gegen Trump waren, einfach dazu.
Die Republikaner hatten für diese Taktik schon seit Jahren vorgearbeitet. David Frum, Redenschreiber für Präsident George W. Bush (die „Achse des Bösen“ geht auf ihn zurück), schrieb in der National Review, dem Stammblatt der rechten Intellektuellen, im September 2003 in seiner Kolumne über „destruktive Eliten“, die in Hollywood, an den Universitäten und durch das „außenpolitische Establishment in Europa und den USA“ Schaden an dem religiösen Glauben und den traditionellen Werten des Landes anrichten. Zur Hollywood-Elite zählte er Jane Fonda, Martin Sheen, Susan Sarandon, Tim Robbins, Sean Penn, Barbara Streisand und natürlich Michael Moore.
Elf Jahre später erschien in der National Review eine Liste von 20 Filmen, die Amerikas „Kunst, soziale Einheit und spirituelles Vertrauen effektiv zerstörten“ und „einen korrupten, leichtsinnig politisierten Kanon“ darstellen. Zu den Filmen zählen Good Night, and Good Luck, ein Film, der in der McCarthy-Ära spielt, immerhin, aber auch The Dark Knight, Ocean’s Eleven, Slumdog Millionaire oder Mr. and Mrs. Smith.
Solche Versuche, einen kulturellen Bann auszusprechen, zeigten kaum Wirkung. Als Meryl Streep in ihrer Golden-Globe-Rede gegen Trump Stellung bezog, twitterte er beleidigt, sie sei eine überschätzte Schauspielerin, und machte sich damit lächerlich.
Stephen Bannon hielt sich mit Schreibarbeit gegen Hollywood nie auf. Nach seiner Zeit als Investmentbanker gelang es ihm, selbst ins Filmgeschäft einzusteigen. Als Geschäftsführender Co-Produzent war er 1991 an Sean Penns Regiedebut The Indian Runner und 1999 an Titus, mit Anthony Hopkins in der Titelrolle, beteiligt, konnte aber als Mann im Hintergrund damit keinen Ruhm ernten. Finanziell abgesichert, unter anderem durch seinen Anteil am Gewinn der Sitcom Seinfeld, war sein nächster Schritt, selber Filme herzustellen. Zwar nicht nach Hollywood-Maßstäben, aber mit klarer politischer Ansage. Als Autor und Regisseur drehte er eine Reihe von Propagandafilmen mit extrem rechten Inhalten und ein Porträt von Sarah Palin, das sie als „unbesiegt“ darstellt. Die Filme handeln von illegaler Immigration, der Globalisierung und der Übermacht staatlicher Regulierung, alles Themen, die er später als Berater Trumps in dessen politischem Programm ausarbeiten konnte.
Mit In the Face of Evil (2004) stilisierte er die Politik Ronald Reagans zum Kampf gegen das Böse in der Welt und zugleich zu seiner eigenen Antwort auf 9/11. In Generation Zero (2010) wird die politische Verantwortung für die Finanzkrise von 2007 auf dieselbe dummdreiste Weise erklärt, mit der die Republikaner schon immer ihren Wählern ihre Wirtschaft verkauften. Dieser Film, der den gleichen düsteren Grundton anstimmt wie Trump in seiner Angelobungsrede und mit der Aussicht auf Unheil endet („Winter is coming“), entbehrt nicht einer gewissen Komik, wenn Bannon die Generation von Woodstock und mit ihr das ganze Land am Abgrund stehen sah, während der Mann am Mond einsam und heroisch Amerikas Glorie verkörperte.
Die Konservativen führten gegen die Liberalen, als deren Opfer sie sich gerierten, unter Ausblendung der ökonomischen Grundlagen einen kulturellen Klassenkampf mit den immer gleichen Angriffen auf die „Eliten“ und dem Versprechen, die alten Werte jenseits aller Politik wieder herzustellen. Seine Rückabwicklung der Ära Obama nennt Trump einen Rollback, während Reagans Gegenbewegung zu den beiden demokratischen Präsidentschaften vor ihm als The Great Backlash bezeichnet wurde.
So kommt es, dass bestimmte Topoi unter erwartbar geänderten Vorzeichen immer wiederkommen. Wer immer von den Rechten die „traditionellen Werte“ hochhielt, meinte damit die Stärkung des Wirtschaftsliberalismus. Woodstock ist für Bannon kein Rockkonzert, sondern die Chiffre für die Bürgerrechtsbewegung, die die Rechte bis heute als eine traumatisierende Wunde im Körper der Nation glaubt vorzeigen zu können.
Eine der bekanntesten dieser symbolhaften Sprachfiguren ist der „Forgotten Man“, dem Franklin D. Roosevelt das soziale Programm des New Deal der 1930er-Jahre gewidmet hatte und der von Hollywood sofort in die Mainstream-Kultur getragen wurde. In der Schlussszene von Gold Diggers of 1933 wird die bis dahin gar nicht so klare Herkunft des forgotten man in einer von Busby Berkeley fulminant inszenierten musikalischen Bühnenshow erklärt. Er ist einer von vielen anonymen und vergessenen Männern, die als Helden aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekommen waren und ohne die Frau, für die sie nicht mehr sorgen konnten, also ohne Familie, als Almosenempfänger endeten. Amerika stand immer unter Waffen, die Kriege hörten nie auf, es gab Generationen von forgotten men. Deren ökonomische und seelische Zerrüttung wurde in zahllosen Filmen gezeigt, die Ursache dafür aber, gerade in Friedenszeiten, selten so deutlich gemacht wie in dem Film von 1933.
Wenn die Republikaner ihrerseits – zuletzt Bannon und Trump – den forgotten man als ihren Gefolgsmann ansprechen, ist mit ihm (und ihr) der arbeitende Mittelstand gemeint, der für die Armen die Last tragen muss, die die Gemeinschaft schwächt.
Mit seinen Filmen erlangte Bannon die Bewunderung von Andrew Breitbart, dem Begründer einer nach ihm benannten Internetplattform für extrem rechtes Gedankengut und wilde Verschwörungstheorien. Als sein Mitarbeiter und nach dessen Tod als Vorsitzender von Breitbart News änderten sich für ihn nicht nur die medialen Mittel grundlegend, sondern vor allem die Möglichkeit, den politischen Diskurs auszuhebeln. Er sah sich nicht mehr genötigt, seine politischen Ideen wie in seinen Filmen zu einer kohärenten Erzählung zu formen, der ohnehin kein Erfolg beschieden ist, sondern konnte mit wilden Übertreibungen und gezielten Falschmeldungen den kulturellen Konsens auf chaotische Weise aufbrechen. Nicht nur die politischen Gegner, zu denen nun insbesondere die liberalen Medien zählen, sondern auch die eigene Partei sollte durch seine neue Sprachregelung entmachtet bzw. auf seinen Kurs gebracht werden. In einem existenziellen Krieg will er, wie im Time Magazine zitiert, auf dessen Titelblatt er es als Mr. Mabuse gebracht hat, „alles zum Einsturz bringen und das Establishment von heute zerstören.“ Allerdings ist auch diese Dystopie eine Erzählung, als deren Protagonisten und Darsteller er seinen begabten Präsidenten vorgesehen hat. An den ersten Filmen über diese Story wird in Hollywood bestimmt schon gearbeitet.
Hitler hat Fritz Langs Das Testament des Dr. Mabuse 1933 gleich verbieten lassen, da er sich als „Testamentsvollstrecker“ Mabuses klar erkennen konnte. Ähnliches würde Trump nicht gelingen, da die amerikanische Demokratie stärker ist als jene der Weimarer Republik. Von der Stärke Hollywoods ganz abgesehen.